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15.08.2025
10:37 Uhr

Genossenschaftsidee am Scheideweg: Wenn soziales Wohnen der Rendite weicht

Die Potsdamer Wohnungsgenossenschaft Karl Marx sorgt derzeit für erheblichen Unmut unter ihren Mitgliedern. Der Grund: Die mit über 6.600 Wohnungen größte Genossenschaft der brandenburgischen Landeshauptstadt plant den Verkauf von knapp 400 Eigentumswohnungen. Was für viele Mieter wie ein Verrat an den genossenschaftlichen Grundprinzipien anmutet, offenbart die dramatischen Verwerfungen am deutschen Wohnungsmarkt – und wirft ein grelles Schlaglicht auf die verfehlte Wohnungspolitik der vergangenen Jahre.

Der Schock nach dem Urlaub

Peter Scheffel, ein Rentner aus Potsdam-Babelsberg, erlebte nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub eine böse Überraschung. Ein Nachbar hatte ihm bereits vorab von einem ominösen Brief berichtet. Als Scheffel diesen öffnete, traf ihn die Nachricht wie ein Schlag: Seine Wohnung, in der er mit seiner Frau seit einem Vierteljahrhundert lebt, soll verkauft werden. "Da sind wir erstmal aus allen Wolken gefallen", berichtet der sichtlich erschütterte Mann. Wie viele andere Genossenschaftsmitglieder war auch er davon ausgegangen, lebenslang in seiner Wohnung bleiben zu können – zu einer sozialverträglichen Miete, versteht sich.

Diese Gewissheit ist nun dahin. Die Genossenschaft Karl Marx, einst 1954 als Bollwerk gegen Wohnungsnot und Spekulation gegründet, scheint ihre eigenen Ideale über Bord zu werfen. Doch die Gründe dafür sind vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint.

Das Erbe der Wiedervereinigung

Die Wurzeln des aktuellen Dilemmas reichen bis in die Wendezeit zurück. Nach 1990 saßen ostdeutsche Wohnungsgenossenschaften auf einem Berg von Altschulden aus DDR-Zeiten. Die damalige Bundesregierung reagierte 1993 mit dem Altschuldenhilfegesetz – allerdings nicht ohne Gegenleistung. Die Genossenschaften mussten 15 Prozent ihres Bestandes privatisieren. Bei der Karl Marx betraf dies ursprünglich 1.126 Wohnungen.

Durch eine spätere Gesetzesänderung konnte die Genossenschaft 397 dieser Wohnungen behalten. Diese wurden jedoch als Eigentumswohnungen ausgewiesen und blieben bis heute im Bestand. Genau diese Wohnungen stehen nun zum Verkauf – ein später Tribut an die Verwerfungen der deutschen Einheit.

Die Kostenfalle Klimawende

Als Hauptgrund für den geplanten Verkauf führt die Genossenschaftsleitung die enormen Investitionskosten an, die in den kommenden Jahren auf sie zukommen würden. Die von der Politik forcierte Energie- und Wärmewende, die gesetzlich vorgeschriebene Dekarbonisierung bis 2045 sowie notwendige Sanierungen der Versorgungsstränge und altersgerechte Umbauten würden einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen.

Bodo Jablonowski, der kaufmännische Leiter der Genossenschaft, argumentiert, man wolle diese Summe lieber dem Gesamtbestand zugutekommen lassen, um dort weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Eine Argumentation, die bei den betroffenen Mietern auf wenig Verständnis stößt. Sie fühlen sich als Bauernopfer einer verfehlten Politik, die mit immer neuen Auflagen und Vorschriften die Kosten in astronomische Höhen treibt.

Widerstand formiert sich

Die betroffenen Mieter nehmen das Vorgehen ihrer Genossenschaft nicht kampflos hin. Hans-Peter Schubert, ein 70-jähriger Bewohner, der praktisch in der Siedlung aufgewachsen ist, hat eine Petition gegen den Verkauf gestartet. Über 1.000 Unterschriften konnte er bereits sammeln. "Die Genossenschaften sollten eigentlich Vorreiter sein und auch genossenschaftlich mit den Leuten umgehen", kritisiert Schubert scharf. "Das sehe ich derzeit nicht."

Auch Peter Scheffel lässt sich durch das Kaufangebot nicht umstimmen. Als Rentner könne er sich den Erwerb seiner Wohnung schlicht nicht leisten. Banken würden ihm in seinem Alter keinen Kredit mehr gewähren, und die absehbaren Sanierungskosten kämen noch obendrauf. Ein Teufelskreis, der viele ältere Mieter in existenzielle Nöte stürzen könnte.

Sozialverträglichkeit als Feigenblatt?

Die Genossenschaft bemüht sich, den Verkauf sozialverträglich zu gestalten. Zunächst sollen nur leerstehende Wohnungen veräußert werden. Bewohnte Einheiten würden zuerst den Mietern selbst, dann deren Verwandten und anderen Genossenschaftsmitgliedern angeboten. Investoren sollen außen vor bleiben, versichert Jablonowski. Wer nicht kaufen wolle, erhalte drei vergleichbare Ersatzwohnungen zur Auswahl, die Umzugskosten würden übernommen, und für fünf Jahre bestehe Schutz vor Eigenbedarfsklagen und Mietsteigerungen.

Doch was nach fünf Jahren geschieht, bleibt offen. Die Marktpreise in Potsdam bewegen sich derzeit zwischen 2.200 und 4.000 Euro pro Quadratmeter – für viele Normalverdiener und Rentner unerschwinglich. Die versprochene Sozialverträglichkeit entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als dünnes Feigenblatt.

Ein Symptom größerer Verwerfungen

Der Fall der Potsdamer Genossenschaft Karl Marx steht exemplarisch für die dramatischen Verwerfungen am deutschen Wohnungsmarkt. Die von der Politik vorangetriebene Klimawende, gepaart mit explodierenden Baukosten und unzureichenden Förderungen, treibt selbst Genossenschaften in die Enge. Matthias Brauner vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sieht hier den Gesetzgeber in der Pflicht: Die aktuellen Förderregelungen seien schlicht unattraktiv.

Professor Winfried Kluth von der Universität Halle-Wittenberg ordnet die Entwicklung in einen größeren Kontext ein: Genossenschaften seien von den Herausforderungen am Wohnungsmarkt genauso betroffen wie alle anderen Akteure. Das solidarische Wirtschaften stoße in einer Marktwirtschaft mit steigenden Preisen und Kosten an seine Grenzen.

Die bittere Ironie der Geschichte

Es mutet wie eine bittere Ironie an, dass ausgerechnet eine Genossenschaft, die den Namen des Kapitalismus-Kritikers Karl Marx trägt, nun selbst zu marktwirtschaftlichen Mitteln greift. Die einst als Bollwerk gegen Spekulation und Profitgier gegründete Institution wird zum Akteur in einem System, das sie eigentlich überwinden wollte.

Die Entwicklung in Potsdam ist dabei kein Einzelfall. Überall in Deutschland geraten Genossenschaften unter Druck. Die politisch gewollte Transformation des Gebäudesektors, verbunden mit einer restriktiven Förderpolitik, zwingt sie zu Maßnahmen, die ihren Grundprinzipien widersprechen. Am Ende zahlen die Mieter die Zeche – jene Menschen, die eigentlich geschützt werden sollten.

Der Verkauf der 397 Wohnungen in Potsdam markiert möglicherweise einen Wendepunkt. Wenn selbst Genossenschaften nicht mehr in der Lage sind, bezahlbaren Wohnraum dauerhaft zu sichern, stellt sich die Frage nach der Zukunft des sozialen Wohnens in Deutschland. Die Politik täte gut daran, diese Warnsignale ernst zu nehmen – bevor das genossenschaftliche Modell endgültig zum Auslaufmodell wird.

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