
Spahns Gedächtnislücken: Wenn der "Kriegsfall" zur bequemen Ausrede wird
Es ist schon bemerkenswert, wie sich die Erinnerung eines ehemaligen Bundesgesundheitsministers plötzlich in Luft auflöst, wenn es um Milliardensummen an Steuergeldern geht. Jens Spahn, der während der Corona-Pandemie mit großer Geste Masken für astronomische Summen einkaufte, kann sich nun vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages an erstaunlich wenig erinnern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die große Grillparty der Grünen
Die Grünen-Politikerin Paula Piechotta hatte es angekündigt: "Wir wollen ihn grillen." Und tatsächlich scheint der selbstbewusst lächelnde CDU-Politiker, der noch siegessicher in die nicht-öffentliche Sitzung marschierte, ordentlich ins Schwitzen gekommen zu sein. Plötzlich plagten den Mann, der einst mit großer Entschlossenheit Milliarden ausgab, mysteriöse Gedächtnislücken. Wie praktisch, dass das menschliche Gehirn gerade dann versagt, wenn es unangenehm werden könnte.
Dabei hätte Spahn durchaus Grund gehabt, sich zu erinnern. Schließlich geht es um nicht weniger als 5,9 Milliarden Euro, die er während seiner Amtszeit für Masken ausgab. Eine Summe, die selbst in Zeiten ausufernder Staatsausgaben beeindruckend ist. Besonders pikant: Statt der von seiner eigenen Fachabteilung errechneten 2,83 Euro pro Maske zahlte Spahn großzügige 5,36 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Ein Aufschlag von fast 90 Prozent – aber wer zählt schon mit, wenn es um Steuergelder geht?
Der "gesundheitliche Kriegsfall" als Universalausrede
Spahns Verteidigungsstrategie ist so durchschaubar wie ein Schweizer Käse: Er spricht vom "gesundheitlichen Kriegsfall" und davon, dass man "keine Gewehre, keine Munition, keinen Schutz" gehabt habe. Eine dramatische Metapher, die allerdings eine entscheidende Frage unbeantwortet lässt: Rechtfertigt eine Krisensituation tatsächlich, dass man Steuergelder mit vollen Händen zum Fenster hinauswirft?
"Es war der gesundheitliche Kriegsfall und wir hatten, um im Bild zu bleiben, keine Gewehre, keine Munition, keinen Schutz"
Diese martialische Rhetorik soll offenbar davon ablenken, dass hier möglicherweise nicht nur fahrlässig, sondern systematisch Geld verschwendet wurde. Der 168-seitige Sonderbericht der SPD-Ermittlerin Margaretha Sudhof spricht eine deutliche Sprache: fehlende Sachkenntnis und logistische Ungereimtheiten werden dem ehemaligen Minister vorgeworfen.
Münsterländer Filz oder zufällige Nähe?
Besonders interessant ist die Vergabe an ein Logistikunternehmen aus dem Münsterland – zufälligerweise unweit von Spahns eigenem Wahlkreis gelegen. Natürlich kann das reiner Zufall sein. Genauso wie es Zufall sein könnte, dass im sogenannten Open-House-Verfahren Verträge im Wert von 6,4 Milliarden Euro abgeschlossen wurden, obwohl nur 500 Millionen Euro Budget vorgesehen waren. Eine kleine Überschreitung um schlappe 5,9 Milliarden Euro – aber wer wird denn kleinlich sein?
Spahn selbst sieht sich als Opfer einer Kampagne und spricht davon, dass "bis an die Grenze der Verleumdung" versucht werde, die Dinge in einen anderen Kontext zu bringen. Eine bemerkenswerte Aussage für jemanden, der sich an so vieles nicht mehr erinnern kann. Offenbar funktioniert das Gedächtnis selektiv: Für Anschuldigungen gegen die eigene Person ist es hellwach, für die Details millionenschwerer Geschäfte leider nicht verfügbar.
Die wahren Verlierer: Die deutschen Steuerzahler
Während sich Spahn hinter Gedächtnislücken und Kriegsmetaphern verschanzt, bleibt eine bittere Wahrheit: Es sind die deutschen Steuerzahler, die für dieses Debakel aufkommen müssen. In Zeiten, in denen die neue Große Koalition unter Friedrich Merz bereits ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen plant – trotz des Versprechens, keine neuen Schulden zu machen –, wirkt die Verschwendung von Steuergeldern besonders zynisch.
Die Corona-Pandemie mag tatsächlich eine Ausnahmesituation gewesen sein. Doch sie darf nicht als Blankoscheck für verantwortungsloses Handeln mit öffentlichen Geldern missbraucht werden. Wenn selbst die eigene Fachabteilung einen Preis von 2,83 Euro pro Maske für angemessen hält, man aber fast das Doppelte zahlt, dann riecht das nicht nach Kriegsfall, sondern nach mangelnder Sorgfalt im Umgang mit dem Geld der Bürger.
Spahn mag die Vorwürfe für "entkräftet" halten und die Sache für sich als geklärt betrachten. Doch die Fragen bleiben: Warum wurden Milliarden über das vorgesehene Budget hinaus ausgegeben? Warum zahlte man fast doppelt so viel wie nötig? Und warum kann sich der Verantwortliche plötzlich an nichts mehr erinnern? Die Antworten darauf bleiben die deutschen Steuerzahler schuldig – genau wie die verschwendeten Milliarden.