
Chinas Parteitag: Wenn die Realität vor verschlossenen Türen wartet
Während in Peking die Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas hinter dicken Mauern über Fünfjahrespläne und Parteidisziplin beraten, zeigt sich auf den Straßen ein ganz anderes Bild: verschärfte Polizeikontrollen, verängstigte Bürger und eine Bevölkerung, die sich längst von den hohlen Versprechungen ihrer Führung abgewandt hat. Das Vierte Plenum des 20. Zentralkomitees der KPCh offenbart einmal mehr die tiefe Kluft zwischen Parteirhetorik und Lebensrealität.
Polizeistaat statt Volksvertretung
Die viertägige Sitzung, die vom 20. bis 23. Oktober im abgeschotteten Hotel Jingxi stattfindet, gleicht eher einer Festung als einem politischen Forum. Rund 200 Vollmitglieder und 170 Stellvertreter tagen über einen Arbeitsbericht des Politbüros und diskutieren den Entwurf des 15. Fünfjahresplans. Doch was sich hinter den verschlossenen Türen abspielt, scheint die Menschen draußen kaum noch zu interessieren.
Ein Pekinger Bürger, der aus Angst vor Repressalien nur seinen Nachnamen Zhao nennen möchte, beschreibt die bedrückende Atmosphäre: „Vor dem Hotel standen ein Polizeiauto und ein Spezialfahrzeug voller Antennen. Die Verkehrspolizei forderte die Menschen auf, sich schnell weiterzubewegen. Die Atmosphäre war sehr angespannt." Taschen werden durchsucht, Ausweise kontrolliert – besonders im Visier: sogenannte Petenten, Bürger, die ihr theoretisch verbrieftes Recht wahrnehmen wollen, sich mit Beschwerden an die Regierung zu wenden.
Die Stimme des Volkes wird zum Schweigen gebracht
Was für eine bittere Ironie: In einem Land, das sich „Volksrepublik" nennt, müssen sich Menschen verstecken, die nichts anderes tun wollen, als ihre Anliegen vorzubringen. In Yanjiao, einem Industriegebiet östlich von Peking, haben sich zahlreiche Petenten in Wohnungen verschanzt, um den Polizeirazzien zu entgehen. Eine Frau aus der Provinz Liaoning berichtet, sie verstecke sich dort bereits seit einem Monat: „Die Polizei ist überall und verhaftet Menschen. Ich kann weder nach Peking noch nach Hause."
Ihre Einschätzung zum Parteitag fällt vernichtend aus: „Was hat das mit uns zu tun? Ihre Sitzungen drehen sich nur um sie selbst. Die Regierung hilft den einfachen Menschen nie. Sie unterdrückt uns nur. Was sie in den Nachrichten sagen, klingt gut, aber es ist alles gelogen."
Wirtschaftliche Versprechen treffen auf harte Realität
Während staatliche Medien Slogans wie „Ausweitung der Binnennachfrage" und „Schutz der Lebensgrundlagen der Menschen" verbreiten, zeichnen die Bürger ein düsteres Bild ihrer Lebenswirklichkeit. Ein pensionierter Arbeiter aus der Provinz Jiangsu bringt es auf den Punkt: „Die Partei hält jedes Jahr Sitzungen ab, aber wir verstehen diese Dokumente nicht. Ich hoffe nur, dass die medizinischen Kosten nicht weiter steigen."
Ein Lieferfahrer aus Tianjin wird noch deutlicher: „Diese Sitzungen haben nichts mit uns zu tun. Sie reden ständig davon, die soziale Wohlfahrt zu verbessern. Aber je mehr sie reden, desto schlimmer wird es. Man muss ihre Worte rückwärts lesen." Diese Aussage offenbart das fundamentale Misstrauen gegenüber der Parteiführung – ein Misstrauen, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht.
Der Traum vom „gemeinsamen Wohlstand" wird zum Albtraum
Die Kluft zwischen Propaganda und Realität könnte kaum größer sein. Während die Partei von „gemeinsamem Wohlstand" schwadroniert, kämpfen normale Bürger mit steigenden Lebenshaltungskosten, sinkenden Sozialleistungen und einer sich verschlechternden medizinischen Versorgung. Eine Fabrikarbeiterin aus der Provinz Hubei klagt: „Die medizinischen Kosten steigen ständig und Medikamente werden immer teurer. Die Regierung hält so viele Sitzungen ab, aber die medizinische Versorgung wird nur schlechter."
Selbst in den streng zensierten chinesischen sozialen Netzwerken macht sich Unmut breit. Das Thema „Normale Menschen spüren nichts vom Vierten Plenum" löst breite Diskussionen aus – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Geduld der Bevölkerung am Ende ist.
Ein System in der Sackgasse
Das Vierte Plenum sollte eigentlich schon vor über einem Jahr stattfinden. Die Verzögerung ohne offizielle Erklärung deutet auf interne Machtkämpfe und Orientierungslosigkeit hin. Während die Parteioberen über Fünfjahrespläne debattieren, hat sich die Bevölkerung längst von diesem System abgewandt. Die Menschen wollen keine großen Visionen mehr hören – sie wollen bezahlbare Medikamente, stabile Arbeitsplätze und ein Leben ohne Angst vor staatlicher Willkür.
Die Parallelen zu den letzten Jahren der DDR sind unübersehbar: Eine alternde Führungsriege, die in ihrer eigenen Blase lebt, während das Volk längst innerlich emigriert ist. Die Frage ist nicht mehr, ob dieses System reformierbar ist, sondern wie lange es sich noch halten kann.
Was China bräuchte, wäre eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte, auf Familie und gesellschaftlichen Zusammenhalt statt ideologischer Indoktrination. Stattdessen setzt die KPCh weiter auf Kontrolle, Überwachung und leere Versprechungen. Die Geschichte lehrt uns: Regime, die den Kontakt zu ihrem Volk verloren haben, sind zum Scheitern verurteilt. Das Vierte Plenum könnte als weiterer Sargnagel für ein System in die Geschichte eingehen, das seine Legitimation längst verspielt hat.
- Themen:
- #Aktien

- Kettner Edelmetalle News
- Finanzen
- Wirtschaft
- Politik











