
N26-Gründer Stalf kapituliert: Wenn die Finanzaufsicht den Stecker zieht
Die deutsche Start-up-Szene verliert eine ihrer schillerndsten Figuren – zumindest an der operativen Front. Valentin Stalf, der einst mit großspurigen Ankündigungen die etablierte Bankenwelt das Fürchten lehren wollte, räumt seinen Chefsessel bei N26. Der Rückzug kommt nicht freiwillig, sondern auf massiven Druck der Finanzaufsicht BaFin und unzufriedener Investoren. Ein Lehrstück darüber, was passiert, wenn jugendlicher Übermut auf deutsche Behördenrealität trifft.
Vom Revolutionär zum Regulierungsopfer
Noch Ende 2024 versuchte Stalf bei einer mehrstündigen Präsentation in Berlin den alten Kampfgeist zu beschwören. Die Digitalbank feierte sich für Rekordaktivitäten und behauptete vollmundig, der Abstand zur Konkurrenz habe sich vergrößert. Doch die Realität sieht anders aus: Während N26 mit der BaFin rang, zogen Wettbewerber wie Trade Republic und Revolut davon. Der einstige Vorreiter wurde zum Nachzügler.
Besonders bitter: Stalfs markige Sprüche von einst holen ihn nun ein. 2016 tönte er noch, traditionelle Banken seien wie Oldtimer – man könne daran herumschrauben, wie man wolle, sie würden nie so effizient wie ein Neuwagen. Heute muss er zusehen, wie sein eigenes Gefährt von der Aufsichtsbehörde stillgelegt wird.
Die BaFin als Spielverderber
Die Bonner Finanzaufseher erwiesen sich als hartnäckiger Gegner. Wegen Problemen bei der Geldwäscheprävention entsandten sie einen Sonderbeauftragten und beschränkten das Kundenwachstum. Während andere Digitalbanken expandierten, musste N26 zusehen. Die geplante Expansion in die USA und nach Brasilien endete im Fiasko, der für 2022 anvisierte Börsengang wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Besonders pikant: Ausgerechnet beim digitalen Immobilienkredit, einem Zukunftsthema, bei dem sich N26 vorne sah, fand die BaFin neue Kritikpunkte. Die Behörde scheint entschlossen, dem Unternehmen jeden innovativen Vorstoß zu verleiden. Man könnte meinen, hier räche sich die deutsche Regulierungswut an einem Unternehmen, das es wagte, den Status quo herauszufordern.
Der Preis der Arroganz
Stalfs "No Bullshit"-Mentalität mag bei jungen Kunden gut angekommen sein, bei Aufsehern und Investoren stieß sie zunehmend auf Widerstand. Die ständigen Führungswechsel, Kundenbeschwerden über schlechten Service und die gescheiterten Expansionspläne zeichnen das Bild eines Unternehmens, das seine eigenen Versprechen nicht einlösen konnte.
Dabei hatte N26 durchaus Potenzial. Die App setzte einst Maßstäbe, die Bewertung von neun Milliarden Euro bei der letzten Finanzierungsrunde 2021 sprach für sich. Doch während die Konkurrenz in Kryptowährungen und Wertpapierhandel investierte, verhedderte sich N26 im Kleinkrieg mit der Aufsicht.
Ein Neuanfang ohne den Gründer?
Stalfs Wechsel in den Aufsichtsrat könnte für N26 tatsächlich eine Chance sein. Das Unternehmen braucht dringend frischen Wind und vor allem: ein besseres Verhältnis zur BaFin. Mit 20 Prozent der Anteile bleibt Stalf zwar einflussreich, aber vielleicht ist genau das die richtige Konstellation – genug Abstand für Veränderungen, genug Nähe für Kontinuität.
Die Digitalbank schreibt nach eigenen Angaben mittlerweile nachhaltige Gewinne. Das zweite Halbjahr 2025 soll profitabel abgeschlossen werden. Ob das reicht, um verlorenes Terrain zurückzugewinnen, bleibt fraglich. Fast jede traditionelle Bank hat heute eine funktionsfähige App, das einstige Alleinstellungsmerkmal ist dahin.
Die Lehren aus dem Fall N26
Der erzwungene Rückzug Stalfs zeigt einmal mehr: In Deutschland kann man nicht einfach die Bankenwelt revolutionieren, ohne sich mit der Bürokratie zu arrangieren. Die BaFin mag manchmal übereifrig agieren, aber wer sie ignoriert oder herausfordert, zieht den Kürzeren. Das mag innovationsfeindlich sein, ist aber die Realität in einem Land, das Stabilität über Disruption stellt.
Vielleicht braucht N26 jetzt genau das, was Stalf immer verachtet hat: Erfahrung aus dem traditionellen Bankgeschäft. Jemanden, der die Sprache der Aufseher spricht und weiß, wie man in Deutschland erfolgreich eine Bank führt – mit allen Kompromissen, die das bedeutet. Der Revolutionär ist gescheitert, jetzt sind die Pragmatiker gefragt.
Für die deutsche Start-up-Szene ist Stalfs Abgang ein Warnschuss. Wer hierzulande erfolgreich sein will, muss nicht nur innovative Ideen haben, sondern auch verstehen, wie der Laden läuft. Die Alternative ist das Schicksal von N26: Von der Zukunft der Banken zum Mahnmal gescheiterter Ambitionen.