
Wehrpflicht-Lotterie: Deutschland würfelt seine Verteidigung aus
Die Große Koalition hat sich nach monatelangem Ringen auf einen Kompromiss zur Wiedereinführung der Wehrpflicht geeinigt, der mehr Fragen aufwirft als er beantwortet. Künftig soll ein Losverfahren darüber entscheiden, wer die Uniform anzieht und wer weiter in Ruhe studieren darf. Ein Würfelspiel um die Landesverteidigung – ist das die Antwort auf Deutschlands sicherheitspolitische Herausforderungen?
Zufallsprinzip statt Wehrgerechtigkeit
Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sollen alle jungen Männer zunächst einen verpflichtenden Fragebogen ausfüllen und in einen Auswahlpool aufgenommen werden. Aus diesem Topf wird dann per Los entschieden, wer zur Musterung und zum Gespräch eingeladen wird. Reichen die Freiwilligen nicht aus, würden die Ausgelosten zu einem mindestens sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet.
Das Modell orientiere sich am dänischen System, wo bereits seit Jahren mit diesem Verfahren gearbeitet werde. Dort gelte die Wehrpflicht zwar grundsätzlich für alle, tatsächlich eingezogen werde aber nur ein Fünftel der Jahrgänge. Der entscheidende Unterschied: Dänemark hat eine funktionierende Verteidigungskultur und eine Gesellschaft, die hinter ihrer Armee steht. In Deutschland hingegen wurde die Bundeswehr jahrzehntelang kaputtgespart und gesellschaftlich marginalisiert.
Pistorius' halbherzige Lösung
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält seinen Gesetzentwurf für "stimmig" und sehe "keinen Bedarf für Änderungen". Der bisherige Entwurf sieht lediglich vor, dass die Regierung mit Zustimmung des Bundestags die Einziehung von Wehrpflichtigen anordnen könne, wenn die sicherheitspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs erfordere. Konkrete Kriterien oder Verfahren? Fehlanzeige.
Die Union drängt seit Monaten auf einen "klaren Pflichtmechanismus", der über den Krisenfall hinausgreife. Friedrich Merz hatte bei Caren Miosga eine Wehrpflicht für alle ins Spiel gebracht – ein Vorschlag, der zumindest Klarheit geschaffen hätte. Stattdessen einigt man sich nun auf eine Lotterie, die weder Wehrgerechtigkeit noch Planungssicherheit bietet.
Ein Novum mit Fragezeichen
Sollte der Kompromiss umgesetzt werden, wäre das Losverfahren ein Novum in der deutschen Wehrgesetzgebung. Die Koalitionsfraktionen wollen am Dienstag über den Kompromiss beraten, am Mittwoch soll die Öffentlichkeit informiert werden. Bereits am Donnerstag könnte die erste Lesung im Bundestag stattfinden – ein Tempo, das vermuten lässt, dass man das Thema schnell abhaken möchte.
Die eigentlichen Probleme der Bundeswehr – marode Ausrüstung, fehlende Munition, unattraktive Arbeitsbedingungen – werden durch ein Losverfahren nicht gelöst. Statt einer grundlegenden Reform der Streitkräfte und einer ehrlichen Debatte über Deutschlands Verteidigungsfähigkeit präsentiert die Koalition eine Scheinlösung, die mehr der politischen Gesichtswahrung als der nationalen Sicherheit dient.
Verpasste Chance für echte Reformen
Was Deutschland bräuchte, wäre eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seiner Rolle in einer zunehmend unsicheren Welt. Die Bedrohungslage hat sich dramatisch verändert, der Ukraine-Krieg zeigt die Verwundbarkeit Europas überdeutlich. Doch statt klarer Konzepte und mutiger Entscheidungen liefert die Politik ein Losverfahren – als ob man die Verantwortung für die Landesverteidigung dem Zufall überlassen könnte.
Die junge Generation, die ohnehin schon mit den Folgen verfehlter Energie-, Migrations- und Wirtschaftspolitik zu kämpfen hat, wird nun auch noch in eine Wehrpflicht-Lotterie gezwungen. Während andere Länder ihre Verteidigungsfähigkeit systematisch ausbauen, würfelt Deutschland um seine Sicherheit. Ein trauriges Zeugnis für ein Land, das einst für Gründlichkeit und Planungssicherheit stand.

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