
Iran droht mit Ausstieg aus Atomwaffensperrvertrag – Europa unter Druck
Die Spannungen zwischen dem Iran und dem Westen erreichen einen neuen Höhepunkt. Ein hochrangiger iranischer Vertreter warnte am Mittwoch unmissverständlich, dass europäische Sanktionsdrohungen das Land zum Austritt aus dem internationalen Atomwaffensperrvertrag bewegen könnten. Diese Drohung stellt eine der letzten verbliebenen Sicherheitsvorkehrungen gegen das iranische Atomprogramm in Frage.
Kritisches Treffen in Istanbul steht bevor
Der stellvertretende iranische Außenminister Kazem Gharibabadi äußerte sich vor Journalisten zu den möglichen Konsequenzen weiterer finanzieller Strafmaßnahmen. Dies geschah im Vorfeld eines entscheidenden Treffens am Freitag mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Gespräche zwischen dem Iran und den verbliebenen Mitgliedern des Atomabkommens von 2015, aus dem die USA unter Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit ausgestiegen waren, sollen in Istanbul stattfinden.
Die drei europäischen Länder haben angedeutet, eine sogenannte Snapback-Klausel in diesem Abkommen auszulösen, die Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen würde, falls bis August keine Fortschritte bei einem Abkommen zur Begrenzung seines Atomprogramms erzielt werden. Das Abkommen von 2015 hatte wirtschaftliche Strafen gegen den Iran im Austausch für Beschränkungen und Überwachung seines Atomprogramms gelockert, wobei der Iran stets beteuerte, dass dieses friedlichen Zwecken diene.
Historischer Präzedenzfall droht
Gharibabadi, der Teil des Atomverhandlungsteams war, erklärte, dass der Iran trotz innenpolitischen Drucks zum Austritt aus dem separaten, älteren Atomwaffensperrvertrag – insbesondere nach den jüngsten israelischen und amerikanischen Angriffen auf seine Atomanlagen – dem Vertrag von 1970 treu geblieben sei. Doch seine Warnung war deutlich: "Aber ich bin ziemlich zuversichtlich, dass der Iran, wenn der Snapback ausgelöst wird, in dieser Hinsicht keine weitere Zurückhaltung zeigen wird."
Sollte der Iran tatsächlich aus dem Vertrag austreten, wäre es erst das zweite Land, das diesen Schritt vollzieht – nach Nordkorea im Jahr 2003, dessen Austritt allerdings nie formell akzeptiert wurde. Ein solcher Schritt würde die ohnehin angespannte Lage im Nahen Osten weiter verschärfen und könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.
Trump-Administration sucht erneut den Dialog
Die Warnung aus Teheran erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Trump-Administration erneut versucht, eine Einigung mit dem Iran über dessen Atomprogramm zu erzielen. Beide Seiten hatten bereits mehrere Gesprächsrunden geführt, bevor Israel im Juni einen überraschenden Angriff durchführte. Der Iran hat eine Offenheit für die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den USA signalisiert, wobei Gharibabadi am Mittwoch betonte: "Je früher, desto besser."
Allerdings richtete er eine ernste Warnung an die Amerikaner, bevor sie sich auf eine sechste Gesprächsrunde einlassen: Sie sollten die Diplomatie nicht als Deckmantel für einen weiteren militärischen Angriff auf den Iran nutzen. Er verwies dabei auf die geplanten Gespräche zwischen den USA und dem Iran, die nur wenige Tage vor Israels ersten Luftangriffen auf Teheran angesetzt waren. "Sollen wir wieder Vertrauen in die Vereinigten Staaten haben? Sie sollten das Vertrauen des Iran gewinnen und mit Ehrlichkeit an den Verhandlungstisch kommen", forderte Gharibabadi.
Europa zwischen den Stühlen
Was die Gespräche mit den Europäern betrifft, so bleiben Gharibabadi und der iranische Außenminister Abbas Araghchi optimistisch, dass die Auslösung von Sanktionen und der Austritt aus dem Vertrag durch "Diplomatie und Verhandlungen" vermieden werden können. Gharibabadi bezeichnete das Treffen am Freitag als sehr wichtig, betonte jedoch, dass dessen Erfolg davon abhänge, wie die Europäer diesmal an den Iran herantreten.
"Wir haben unsere Treffen mit den europäischen Ländern immer geschätzt. Aber es gibt ein wichtiges Thema: Ich denke, wir haben ihnen immer gesagt, dass die Politik der europäischen Länder unabhängig sein sollte", sagte er. "Sie sollten ihre Positionen nicht mit den Amerikanern koordinieren." Er fügte hinzu: "Wenn dies der Fall ist, warum sollten wir dann mit den Europäern verhandeln, wenn wir mit den Amerikanern verhandeln können?"
Diese Aussage verdeutlicht das Dilemma der europäischen Diplomatie: Einerseits versuchen die EU-Staaten, ihre eigene Außenpolitik zu verfolgen, andererseits sind sie eng mit den USA verbunden. Diese Abhängigkeit schwächt ihre Verhandlungsposition erheblich und macht sie zu Juniorpartnern in einem Spiel, das hauptsächlich zwischen Washington und Teheran ausgetragen wird.
Vorsichtige Annäherung trotz Spannungen
Iranische Beamte, einschließlich Gharibabadi, erklärten, sie seien offen für Vorschläge, wie weitere Sanktionen verhindert und "eine kompliziertere Situation vermieden" werden könne. Als weiteres Zeichen der Bereitschaft des Iran teilte Gharibabadi mit, dass eine Delegation technischer Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in "wenigen Wochen" eintreffen werde – das erste Mal, dass Mitglieder des internationalen Inspektionsteams seit dem Israel-Iran-Krieg wieder zugelassen werden.
Die Delegation werde jedoch nicht die Atomanlagen besuchen dürfen, fügte er hinzu. Es handele sich um ein Treffen, bei dem besprochen werden solle, welchen Zugang der Iran der IAEA gewähren werde, nachdem er sich von den Führern der Agentur verraten fühle. Die IAEA reagierte nicht sofort auf eine Anfrage zur Stellungnahme.
Die Folgen einer gescheiterten Diplomatie
Die aktuelle Situation zeigt einmal mehr, wie fragil die internationale Ordnung geworden ist. Die Drohung des Iran, aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten, würde nicht nur die Sicherheitslage im Nahen Osten dramatisch verschlechtern, sondern könnte auch andere Länder ermutigen, ähnliche Schritte zu unternehmen. Die Tatsache, dass Europa in dieser kritischen Situation keine eigenständige Position einnehmen kann, offenbart die Schwäche der EU-Außenpolitik.
Es bleibt abzuwarten, ob die Gespräche in Istanbul zu einer Deeskalation führen werden. Die Zeit drängt, und die Geduld aller Beteiligten scheint erschöpft. Sollten die Verhandlungen scheitern, könnte dies weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur für die Region, sondern für die gesamte Weltordnung. In einer Zeit, in der traditionelle Bündnisse bröckeln und neue Machtkonstellationen entstehen, wäre ein nuklear bewaffneter Iran ein Albtraum für die westliche Welt.
Die kommenden Tage werden zeigen, ob Diplomatie noch eine Chance hat oder ob wir uns auf eine weitere Eskalation in einer ohnehin schon explosiven Region einstellen müssen. Eines ist sicher: Die Welt kann es sich nicht leisten, dass ein weiteres Land den Atomwaffensperrvertrag verlässt. Die Verantwortung liegt nun bei allen Beteiligten, eine Lösung zu finden, bevor es zu spät ist.
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