
Frankreichs Politchaos: Premier Lecornu kämpft gegen die Zeit – und verliert
Während der französische Leitindex CAC 40 neue Höhenflüge seit Mai 2024 feiert, brodelt es hinter den Kulissen der Grande Nation gewaltig. Die jüngsten Vertrauensabstimmungen mögen Premier Sébastien Lecornu zwar überstanden haben, doch die wahre Bewährungsprobe steht ihm erst noch bevor. UBS-Analyst Simon Penn warnt seine Kunden eindringlich: Der französische Regierungschef könnte das Jahresende politisch nicht überleben.
Das Haushaltsdilemma als Stolperstein
Die Crux liegt im Detail – oder besser gesagt im Staatshaushalt. Lecornu steht vor derselben unlösbaren Aufgabe wie seine glücklosen Vorgänger: Ein tief gespaltenes Parlament macht die Verabschiedung eines Budgets nahezu unmöglich. Die Sozialisten haben ihre Karten bereits auf den Tisch gelegt: Ihre Unterstützung bei den Vertrauensabstimmungen bedeute keineswegs eine Zustimmung zu seinen Haushaltsplänen, stellten sie unmissverständlich klar.
Besonders brisant wird es bei der geplanten Aussetzung der Rentenreform. Während Lecornu diese möglicherweise noch durch die Nationalversammlung boxen könnte, droht im konservativ dominierten Senat eine Blockade. Ein gemeinsamer Ausschuss mit seiner Mitte-Rechts-Schlagseite würde die Entscheidung dann an weitere Bedingungen knüpfen – Bedingungen, die wiederum in der Nationalversammlung auf erbitterten Widerstand stoßen dürften. Ein klassischer Teufelskreis der französischen Politik.
Die Märkte wetten bereits gegen Lecornu
Die Kryptowährungs-basierte Prognoseplattform Polymarket zeigt ein düsteres Bild: Während die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes bis Ende Oktober bei nur 4% liegt, schnellt sie bis Jahresende auf beachtliche 38% hoch. Die Wettmärkte haben offenbar wenig Vertrauen in Lecornus politisches Überleben.
"Mit der aktuellen Herabstufung fällt Frankreich bei zwei der drei Ratingagenturen unter AA-, was zu Zwangsverkäufen bei einer Reihe institutioneller Investoren führen dürfte, die auf Ratings achten müssen"
So kommentierte Mohit Kumar, Chefvolkswirt und Stratege für Europa bei Jefferies, die jüngste Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit durch S&P Global. Die Ratingagentur begründete ihren Schritt mit der politischen Instabilität und der Unfähigkeit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen.
Ehrgeizige Ziele treffen auf harte Realität
Lecornus Pläne klingen auf dem Papier vernünftig: Das Haushaltsdefizit soll von 5,4% des BIP im Jahr 2025 auf 4,7% im kommenden Jahr gesenkt werden. Ein erster Schritt, um wieder unter die EU-Defizitgrenze von 3% zu kommen und das Land auf einen nachhaltigen Pfad zu führen. Doch in einem fragmentierten Parlament, in dem jede Fraktion ihre eigenen Süppchen kocht, gleichen solche Vorhaben eher frommen Wünschen als realistischen Zielen.
Die paradoxe Situation zeigt sich besonders deutlich an den Finanzmärkten: Während die Politik im Chaos versinkt, feiert der CAC 40 fröhliche Urständ. Anleger scheinen die politischen Turbulenzen auszublenden – oder haben sie bereits eingepreist. Doch diese scheinbare Gelassenheit könnte trügerisch sein.
Ein Déjà-vu der französischen Politik
Was sich in Paris abspielt, ist symptomatisch für die strukturellen Probleme vieler europäischer Demokratien. Ein zersplittertes Parlament, unvereinbare Positionen und die Unfähigkeit zu tragfähigen Kompromissen lähmen die Handlungsfähigkeit. Während Deutschland unter der neuen Großen Koalition zumindest wieder regierungsfähig erscheint, droht Frankreich in einem endlosen Kreislauf aus Regierungskrisen gefangen zu bleiben.
Die Beratungsfirma Forefront bringt es auf den Punkt: Lecornus Grundproblem sei dasselbe wie bei all seinen Vorgängern – die Verabschiedung eines Haushalts in einem hochpolarisierten politischen Umfeld. Die Geschichte lehrt uns, dass solche Situationen selten gut enden. Ob Lecornu das Kunststück gelingt, sich länger zu halten als seine Vorgänger, darf bezweifelt werden. Die Uhr tickt – und sie tickt gegen ihn.

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