
Wagenknecht bei Lanz: Zwischen berechtigter Systemkritik und eigenen Widersprüchen
Die Rückkehr Sahra Wagenknechts in die Talkshow-Arena nach monatelanger Abstinenz entwickelte sich zu einem der hitzigsten TV-Duelle des Jahres. Bei Markus Lanz lieferte sich die BSW-Chefin einen verbalen Schlagabtausch, der die tiefen Risse im deutschen Medienbetrieb offenlegte – und gleichzeitig ihre eigenen autoritären Tendenzen entlarvte.
Der Frontalangriff auf die Öffentlich-Rechtlichen
Kaum hatte die Sendung begonnen, holte Wagenknecht zum Rundumschlag aus. "Ich finde nicht statt", echauffierte sich die ehemalige Linken-Politikerin über ihre gesunkene Präsenz in ARD und ZDF. Seit der verpassten Bundestagswahl sei das BSW nur dreimal in Talkshows eingeladen worden. Ein bemerkenswerter Vorwurf, bedenkt man, dass kaum eine Politikerin einer Kleinstpartei im Wahlkampf derart hofiert wurde wie Wagenknecht.
Doch ihre Kritik trifft einen wunden Punkt: Die Meinungsvielfalt in deutschen Talkshows ist tatsächlich eingeschränkt. Regierungskritische Stimmen kommen seltener zu Wort, während das immergleiche Establishment-Karussell sich dreht. "Ein Block im Land will Cancel Culture", diagnostizierte Wagenknecht treffend – eine Beobachtung, die angesichts der einseitigen Berichterstattung zu Corona, Ukraine-Krieg oder Migrationspolitik kaum von der Hand zu weisen ist.
Der Bumerang-Effekt: Wagenknechts autoritäre Ader
Doch wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Markus Lanz, sonst oft zahmer Stichwortgeber für Regierungspropaganda, zeigte an diesem Abend ungewohnte Bissigkeit. Mit vorbereiteten Einspielern konfrontierte er Wagenknecht mit dem autoritären Gebaren in ihrer eigenen Partei.
Die Szenen vom Thüringer BSW-Parteitag sprachen Bände: Der Generalsekretär verkündete die Abwahl des Vorstands, bevor dieser überhaupt gewählt war. Der abgesetzte Landesvorsitzende prangerte die Doppelmoral an – im Fernsehen Meinungsfreiheit fordern, in der Partei aber Kritiker mundtot machen.
Wagenknechts Rechtfertigung offenbarte ihr problematisches Demokratieverständnis: "In einer Partei muss es ein Profil geben", meinte sie lapidar. Eine Haltung, die fatal an die Kaderparteien des real existierenden Sozialismus erinnert, in denen der demokratische Zentralismus jede Abweichung von der Parteilinie unterdrückte.
Die NATO als Wurzel allen Übels?
Beim Thema Ukraine-Krieg zeigte sich Wagenknechts außenpolitische Schlagseite besonders deutlich. "Russland will keine Raketen in der Ostukraine", mutmaßte sie und machte die NATO-Osterweiterung zum Hauptschuldigen des Konflikts. Eine Sichtweise, die zwar wichtige historische Aspekte benennt, aber die imperiale Aggression Putins relativiert.
Die russische Dissidentin Maria Aljochina von "Pussy Riot" brachte es auf den Punkt: "Sie erzählen fast das Gleiche wie in Russland." Ein vernichtender Vergleich, der Wagenknechts einseitige Schuldzuweisungen entlarvte. Während sie berechtigterweise auf die Vorgeschichte des Konflikts hinwies – die gebrochenen Versprechen des Westens, die Einkreisung Russlands –, blendete sie die brutale Realität des russischen Angriffskriegs aus.
Ein Lehrstück über die Grenzen der Systemkritik
Der Schlagabtausch zwischen Lanz und Wagenknecht war mehr als nur unterhaltsames Fernsehen. Er legte die fundamentalen Widersprüche offen, die das BSW von Anfang an prägten: Eine Partei, die gegen das Establishment antritt, aber selbst autoritär geführt wird. Eine Bewegung, die Meinungsfreiheit einfordert, aber interne Kritiker kaltstellt.
Wagenknechts berechtigte Kritik am verengten Meinungskorridor der Öffentlich-Rechtlichen verliert an Glaubwürdigkeit, wenn sie selbst keine abweichenden Meinungen in den eigenen Reihen duldet. Ihre treffende Analyse der NATO-Provokationen wird entwertet durch die Blindheit gegenüber russischen Verbrechen.
Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Das BSW ist keine echte Alternative zum politischen Establishment, sondern nur eine weitere Spielart desselben autoritären Denkens – nur mit anderen ideologischen Vorzeichen. Die Hoffnung auf eine wirkliche Opposition, die sowohl die Fehlentwicklungen im Westen als auch die Gefahren aus dem Osten klar benennt, muss anderswo gesucht werden.
Immerhin bewies die Sendung eines: Wenn die Talkshows tatsächlich kontroverse Gäste einladen und echte Debatten zulassen, kann selbst das eingeschlafene Format wieder Funken schlagen. Dass ausgerechnet Markus Lanz dies vorführte, während seine Kollegen weiter im Mainstream-Einheitsbrei rühren, ist die vielleicht größte Überraschung des Abends.

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